Die neue Moschee in Ditzingen - Versuch einer Einordnung der Fakten.

Veröffentlicht am 03.02.2024 in Fraktion

Kurz vor Weihnachten hat die deutliche Mehrheit im Ditzinger Gemeinderat einen Antrag der CDU-Fraktion in namentlicher Abstimmung abgelehnt. Die CDU wollte die Verhandlungen über den Verkauf eines städtischen Grundstücks für den Bau einer neuen Moschee sofort beenden und das Projekt damit stoppen. 

Ihre ablehnende Haltung zum Verkauf des Grundstücks an DITIB-Deutschland hat sie ausführlich begründet. Zentrales Argument ist der Vorwurf, der Verein würde antisemitische Ziele verfolgen und das Existenzrecht des Staates Israel in Frage stellen. 

Ein starker Vorwurf. Würde er zutreffen, wäre der Abschluss eines Kaufvertrages auch für uns nicht möglich.

Die CDU begründet ihn mit den - in der Tat - unsäglichen Tiraden des obersten Vertreters der türkischen Religionsbehörde zum Überfall der Hamas auf Israel, von denen sich DITIB-Deutschland nicht ausreichend distanziert habe. 

Und ja. Es gibt Abhängigkeiten des DITIB-Deutschland von der türkischen Religionsbehörde, die ihre dort ausgebildete Imame in die deutschen Moscheegemeinden entsendet und sie bezahlt. Wie in Ditzingen. 

Diese ungute Abhängigkeit hat ihre Ursache im Nicht-Handeln der deutschen Politik. Lange Zeit wurde versäumt, die Ausbildung von muslimischen Theologen in Deutschland in gleicher Weise zu fördern, wie es bei christlichen Religionen geschieht. 

Inzwischen gibt es an den Universitäten Frankfurt (mit Gießen), Münster, Osnabrück, Tübingen und Erlangen-Nürnberg Zentren für Islamische Theologie. Seit 2011 wurden dort ca. 2 000 junge islamische Theologen, Lehrkräfte und Vorbeter ausgebildet. Trotzdem ist der Bedarf an in Deutschland sozialisierten Religionsbeauftragten weiterhin groß. Deshalb startete DITIB-Deutschland Im Januar 2020 mit 22 Teilnehmern eine ähnliche Ausbildung, an der auch zahlreiche Frauen teilnahmen. 

Dies halten wir für eine gute Entwicklung. 

Denn auch wir sehen den zweifellos vorhandenen Einfluss der türkischen Regierung auf DITIB überaus kritisch. Allerdings hat sich der Verein im Gegensatz zu seiner vorgesetzten Behörde weder antisemitisch geäußert noch das Existenzrecht Israels bestritten, sondern sehr deutlich um eine deeskalierende Haltung bemüht. Auch wird DITIB weder vom Verfassungsschutz noch den zuständigen Behörden in Nordrhein-Westfalen als Gefahr für unser Gemeinwesen eingestuft. Wäre dies anders - würden die Vorhaltungen der CDU-Fraktion also zutreffen - wäre es die Aufgabe der Bundesinnenministerin, den Verein zu verbieten. Dann wäre auch für uns die Grundlage für den Stopp des Grundstücksverkaufs gegeben.

Zurück nach Ditzingen:

Der deutsche DITIB-Verein ist Besitzer der Immobilie, in der die Moschee bislang untergebracht ist, und die an die Stadt verkauft werden soll. Im Gegenzug wird der Verein das Grundstück kaufen, auf dem die Ditzinger Gemeinde die neue Moschee bauen will - in eigener Regie, und ohne Zuschüsse der übergeordneten Organisation. 

Viele Mitglieder dieser Gemeinde leben seit Jahrzehnten in unserer Stadt. Sie organisieren öffentliche Veranstaltungen und bringen sich als Eltern und Nachbarn ins Gemeinwesen ein. Sie bieten muslimischen Flüchtlingen einen Ort zum Beten und helfen ihnen dabei, hier anzukommen. Zudem hat sich ihr Vorstand sehr eindeutig von den Aussagen der türkischen Regierung zum Angriff auf Israel distanziert.

Auch wir halten manche der aktuellen Ausprägungen des Islam für vollkommen inakzeptabel. Aber das tun viele der hier lebenden Muslime ebenso. Zudem leben wir hier, in Deutschland, - und sind deshalb den hier geltenden Werten verpflichtet: wie dem Prinzip der Rechtsstaatlichkeit, das für Entscheidungen Fakten, und nicht Emotionen zugrunde legt - und dem Recht auf freie Ausübung der eigenen Religion, solange dies auf dem Boden unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung geschieht.

Bei der öffentlichen Vorstellung des Entwurfs der Moschee hat ein muslimischer Vater die Frage seines Sohnes in den Raum gestellt: Warum müssen wir im Keller beten? 

Wir wollen, dass die Mitglieder der Ditzinger DITIB-Gemeinde ihren Glauben in sichtbaren und angemessenen Räumen ausüben können. Umso mehr, als der vorgestellte Entwurf einer ist, für den sich unsere Stadt nicht schämen muss.

 

Sabine Roth, Herbert Hoffmann, Ina Knecht

 

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